Resilienz - die Widerstandskraft, die uns hilft, mit Herausforderungen, Misserfolgen und Rückschlägen umzugehen, Stress zu bewältigen und den Belastungen des Alltags standzuhalten. Wenn du im Internet danach suchst, was die wichtigsten Faktoren zur Entwicklung von Resilienz sind, wirst du - wie so oft - viele verschiedene Antworten finden. Mehrheitlich spricht man aber von 7 Säulen der Resilienz. Ich möchte in diesem Beitrag hier jedoch nicht auf allgemeingültige Faktoren oder Theoriewissen eingehen, sondern vielmehr aus meinen Erfahrungen als Lehrerin, Lernbegleiterin, Kinder- und Familiencoach berichten.
Meine Erfahrung zeigt, dass vor allem zwei Kernelemente einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von innerer Stärke haben:
das Selbstbild
Beide Faktoren werden meiner Meinung nach in der Erziehung und Begleitung von Kindern - insbesondere bei unerwünschtem Verhalten - viel zu oft vernachlässigt und ihr Einfluss auf die gesunde ganzheitliche Entwicklung von Kindern unterschätzt.
Die Stärkung des Selbstbildes und der Fähigkeit zur Selbstregulation wird oft vernachlässigt.
Viele Verhaltensauffälligkeiten wie fehlende Impulskontrolle, Wutausbrüche, innere Unruhe, Rastlosigkeit, Widerstände, aber auch Frust, Überforderung, Stress, Blockaden und ständige Konflikte beruhen oftmals darauf, dass Kinder ein negatives Selbstbild haben und / oder Strategien zur Selbstregulation fehlen.
In diesem Beitrag gehe ich nun auf das Selbstbild ein, welchen Einfluss es auf die Resilienz hat, inwiefern dem Selbstbild von Kindern oft viel zu wenig Beachtung geschenkt wird und wie du das Selbstbild von Kindern gezielt stärken kannst. Das Thema Selbstregulation werde ich in einem nächsten Beitrag beleuchten.
Was ist das Selbstbild?
Das Selbstbild umfasst alles, was ich über mich selbst denke. Die Selbstgespräche (Selftalk), die ich in meinem Kopf führe, meine Gedanken und Glaubenssätze über mich selbst.
Wenn du dir selbst, über dein Selbstbild bewusst werden möchtest, beobachte dich und deine Gedanken in nächster Zeit und stelle dir regelmässig folgende Fragen:
Wie spreche ich über mich?
Wie denke ich über mich?
Was sind die häufigsten Gedanken, die ich über mich selbst habe?
Wie spreche ich zu / mit mir? Spreche ich eher positiv oder negativ zu mir selbst? Bestärke ich mich oder mache ich mich klein?
Wie spreche ich insbesondere mit mir, wenn ich einen Rückschlag erleide, einen Fehler mache oder mir etwas nicht so leicht von er Hand geht?
Indem ich mich mit meinem Selbstbild auseinandersetze, stärke ich gleichzeitig auch meine Selbstwahrnehmung und mein Selbstbewusstsein. Ich werde mir mehr über mich selbst bewusst und was in meiner Innenwelt abläuft. Das ist wiederum die Voraussetzung, um bei Herausforderungen bewusst zu agieren, statt zur reagieren.
Glaubenssätze
Glaubenssätze sind Gedanken, die in der Kindheit entstehen, die sich tief in unserem Unterbewusstsein verankern und die wir gar nicht mehr hinterfragen. Sie prägen unser Selbstbild, beeinflussen unsere Wahrnehmung und unser ganzes Leben. Es sei denn, wir werden uns irgendwann darüber bewusst und können sie auflösen. Aber da möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen.
Glaubenssätze können durch einschneidende Erlebnisse im Kindesalter entstehen, durch wiederholte negative Erfahrungen, aber auch einfach durch die Art und Weise, wie Erwachsene mit und über uns im Kindesalter sprechen, was sie uns zutrauen und mit welcher Haltung sie uns begegnen.
Bis zum Alter von 7 Jahren gelangt fast alles ungefiltert ins Unterbewusstsein von Kindern.
Die meisten Glaubenssätze entstehen im Alter bis 7 Jahre, weil von der Gehirnentwicklung her der 'Türsteher zum Unterbewusstsein' bis dahin noch nicht ausgebildet ist und daher fast alles, was wir Kindern in diesem Alter sagen, ungefiltert in ihr Unterbewusstsein gelangt.
Das heisst, wir haben als Erwachsene einen enormen Einfluss darauf, wie unsere Kinder von sich selbst denken. Was wir über unsere Kinder denken, was wir von ihnen erwarten und wie wir mit ihnen sprechen, beeinflusst direkt ihr eigenes Selbstbild. Sehr eindrücklich wird dies im kurzen Video von Thomas Edison und seiner Mutter sicht- und spürbar. Falls du das Video noch nicht gesehen hast, dann unbedingt hier kurz reinschauen.
Selbstbilder von Kindern
Für mich ist es immer wieder erschreckend zu hören, was Kinder und Jugendliche über sich selbst denken und sagen. Ganz oft beginnen solche negativen Gedanken über sich selbst mit "Ich bin zu..." und kann jeweils in beide Richtungen gehen:
Ich bin zu dumm / zu blöd ...
Ich bin zu schlau / zu intelligent ...
Ich bin zu laut / zu anstrengend / zu unruhig ...
Ich bin zu zu leise / zu schüchtern / zu ruhig....
Ich bin zu gross / zu dick ...
Ich bin zu klein / zu dünn ...
Ich bin zu langsam / zu genau...
Ich bin zu schnell / zu ungenau...
Ich habe bereits in mehreren Blogbeiträgen zum Thema Selbstbild von Kindern berichtet. Ich verlinke dir hier zwei Beiträge, wenn du mehr darüber erfahren willst: Verheerende Aussagen im Klassenzimmer | Was 4. Klässler über sich selbst denken.
Positivspirale
Wenn ein Kind positiv über sich selbst denkt (z.B. Ich bin genau richtig so wie ich bin), an sich glaubt (z.B. Ich schaffe das) und auf seine eigenen Fähigkeiten vertraut, dann ist es resilienter und kann besser mit Stress und Herausforderungen umgehen. Dadurch entwickelt es wiederum mehr Selbstvertrauen, macht positive Erfahrungen, wodurch das Selbstbild wieder gestärkt wird. Es entsteht eine Positivspirale.
Negativspirale - Der Teufelskreis
Wenn ein Kind jedoch ein schlechtes Selbstbild hat (z.B. Ich kann sowieso nichts richtig machen. Ich bin anstrengend.), wird es Situationen mit dieser inneren Haltung begegnen und negative Erfahrungen entsprechend dieses inneren Bildes machen. Dadurch kriegt es von Aussen negative Feedbacks, wird zurechtgewiesen, das Selbstvertrauen sinkt und sein negatives Selbstbild wird bestätigt. Ein Teufelskreis entsteht.
Was wir über unsere Kinder denken, was wir von ihnen erwarten und wie wir mit ihnen sprechen, beeinflusst direkt ihr eigenes Selbstbild.
Viele Kinder sind in dieser Negativspirale gefangen. Für Aussenstehende ist jeweils nur das Verhalten des Kindes sichtbar, welches oft verurteilt und bestraft wird. Was sich im Kopf des Kindes abspielt, die Gedanken, mit denen es sich herumschlägt, erfahren die meisten nicht. Ausser jemand zeigt wahres Interesse, schaut hinter das Verhalten des Kindes und fragt nach, um es zu verstehen. Welche Fragen sich hier eignen, findest du weiter unten.
Meine Erfahrung zeigt, dass gerade die Kinder, die oft Streitereien anzetteln, mobben, laut, 'auffällig' und oft in Konflikte verwickelt sind, ein sehr negatives Selbstbild haben.
Kompensationsstrategien
Negative Selbstbilder sind oft getarnt. Viele Kinder / Menschen mit einem negativen Selbstbild entwickeln Kompensationsstrategien, weshalb oft nicht erkannt wird, was eigentlich dahinter steckt. Sie können nach aussen sehr bestimmt, stark, mutig, selbstsicher und auch arrogant auftreten, andere kleinmachen etc.
Häufig wird angenommen, die Person handle absichtlich und böswillig so. Jedoch ist dieses Verhalten meist nur ein Selbstschutz bzw. ein Versuch, die eigenen Bedürfnisse zu stillen. (z.B. nach Sicherheit, Autonomie, Bindung, gesehen werden...) Kompensationsstrategien können auch sein: Perfektionismus, Kontrollzwang, Rollen einnehmen (z.B. Klassenclown, Anführer... ) und viele mehr.
Warum Bestrafung unerwünschtes Verhalten verstärkt
Meine Erfahrung zeigt, dass gerade die Kinder, die oft Streitereien anzetteln, mobben, Gewalt anwenden und ständig in Konflikte verwickelt sind, ein sehr negatives Selbstbild haben. Denn:
Hurt people hurt people. (Verletzte Menschen verletzen Menschen)
Nur ein Mensch, der selbst mit sich nicht im Reinen ist, der selbst Verletzungen in sich trägt, der schlecht über sich selbst denkt, kann andere verletzen.
Darum plädiere ich immer wieder dafür, mit diesen Kinder unbedingt ins Gespräch zu gehen, herauszuarbeiten, was sie über sich denken und ihr Selbstbild positiv zu beeinflussen. Leider ist es mehrheitlich so, dass diese Kinder für ihr Verhalten getadelt und bestraft werden. Bestrafung führt jedoch dazu, dass sie in ihrem negativen Selbstbild bestätigt werden und somit das unerwünschte Verhalten verstärkt wird.
Bestrafung führt dazu, dass die Kinder in ihrem negativen Selbstbild bestätigt werden und somit das unerwünschte Verhalten verstärkt wird.
Wenn wir die Kinder jedoch positiv bestärken und ihnen helfen, neue positive Gedanken über sich zu denken, indem wir unser eigenes Bild über sie, unsere Haltung und unsere Kommunikation verändern, wird sich ihr Selbstbild verbessern. Und sobald die Kinder ein positiveres Selbstbild entwickeln, nehmen auch das auffällige Verhalten und die Konflikte automatisch ab.
Drei Tipps zur Stärkung des Selbstbildes
Was kannst du nun tun, damit du Kinder in ihrem Selbstbild positiv bestärken kannst? Damit sie an sich glauben, bestärkende und aufmunternde Gedanken über sich selbst denken und vertrauen in sich und ihre Fähigkeiten haben?
Die drei wichtigsten Tipps zur Stärkung eines positiven Selbstbildes bei Kindern:
1. Vertrauen
Je mehr Vertrauen du Kindern schenkst, umso mehr vertrauen sie sich selbst. Versuche daher Kindern zuzutrauen, dass sie Herausforderungen auch alleine bewältigen können. (Dem Alter des Kindes entsprechend) Je öfter Kinder Selbstwirksamkeit erfahren, umso resilienter werden sie. Das Kind fühlt sich dann bestärkt und weiss, dass es auf seine eigenen Fähigkeiten vertrauen kann. Übergib dem Kind Verantwortung über Aufgaben, die es selbst bewältigen kann und lasse Fehler zu. Gib ihm zu verstehen: "Ich vertraue dir. Ich glaube an dich. Du schaffst das. Und wenn du was brauchst, bin ich hier."
2. Achtsame Kommunikation
Wie wir als Erwachsene mit unseren Kindern sprechen, wird später ihre innere Stimme. Achte dich also darauf, was du über das Kind denkst, wie du über es sprichst und wie du mit ihm sprichst. Unsere Worte sind so kraftvoll! Je liebevoller wir mit Kindern sprechen, insbesondere auch in herausfordernden Situationen, umso liebevoller sprechen und denken sie über sich selbst.
Mehr zum Thema achtsame Kommunikation kannst du hier nachlesen.
3. Wohlwollende und wertfreie Haltung
Begegne Kindern auf Augenhöhe und sehe sie als gleichwertig. Sei stets wohlwollend mit ihnen. Versuche in schwierigen Situationen hinter das Verhalten des Kindes zu schauen und zu verstehen, welches Bedürfnis dahinter stecken könnte.
Versuche, Interpretationen und Beschuldigungen zu vermeiden und eine möglichst wertfreie Haltung einzunehmen. Um das Kind und sein Verhalten verstehen zu können, kannst du ihm Fragen stellen. Hier sind ein paar Ideen:
Was brauchst du gerade?
Was würde dir jetzt helfen?
Wie kann ich dich unterstützen?
Gerade wenn Kinder unserer Meinung nach mühsam und anstrengend sind, dann sollten wir einen Perspektivwechsel machen von 'Das Kind tut schwierig' hinzu 'Das Kind hat es gerade schwierig'. Es geht darum, das Kind bedingungslos anzunehmen, damit es unsere Liebe nicht in Frage stellen muss, auch wenn es sich nicht so verhält, wie wir uns das wünschen.
Wir haben als Erwachsene einen enormen Einfluss darauf, wie Kinder von sich selbst denken.
Ich hoffe, ich konnte dir im Beitrag aufzeigen wie wichtig es ist, sich mit dem Selbstbild unserer Kinder - und auch mit unserem eigenen - auseinanderzusetzen und dieses aktiv zu stärken.
Ein starkes Selbstbild schafft mehr Selbstvertrauen und eine höhere Resilienz. Inwiefern die Fähigkeit zur Selbstregulation zu mehr Resilienz beiträgt und wie du sie stärken kannst, darüber erfährst du mehr im nächsten Blogbeitrag.
In meiner Arbeit unterstütze ich Eltern und Fachpersonen dabei, Kinder aktiv zu stärken. Das Selbstbild spielt dabei eine zentrale Rolle. Sei dies nun durch die eigene innere Haltung, Perspektivwechsel, achtsame Kommunikation, bewusste Vorbildfunktion oder den gezielten Einsatz von Tools und Übungen im Alltag.
Möchtest du mehr darüber erfahren und lernen, wie du Kinder achtsam begleitest, ihr Selbstbild und ihre Fähigkeiten zur Selbstregulation stärkst und ihnen hilfst, innere Stärke zu entwickeln? Dann schau dich gerne bei meinen aktuellen Veranstaltungen um oder melde dich ganz unverbindlich für ein Erstgespräch bei mir.
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