top of page

Selbstregulation - eine unterschätzte Superkraft

Aktualisiert: vor 6 Tagen

Im letzten Blogbeitrag ging es um das Selbstbild und warum ein positives Selbstbild so essenziell für unsere Resilienz ist. Wie ich dort bereits erwähnt habe, ist neben dem Selbstbild die Selbstregulation eine enorm wichtige Komponente für die Entwicklung von innerer Stärke, einer inneren Widerstandskraft.


Meine Erfahrungen als Lehrerin, Lernbegleiterin und als Kinder-, Jugend- und Familiencoach haben gezeigt, dass die mangelnde Fähigkeit zur Selbstregulation ein oftmals unterschätzter Faktor für viele Verhaltensauffälligkeiten und Symptome ist. Ich bin mir bewusst, dass viele Probleme und Herausforderungen durchaus komplex und multikausal sind und stets ganzheitlich und systemisch betrachtet werden müssen. Dennoch hat die Selbstregulation sehr oft einen entscheidenden Einfluss.


Daher überrascht es mich immer wieder, dass der gezielten Förderung der Selbstregulationsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen so wenig Beachtung geschenkt wird.


Meine derzeitige Ausbildung zum traumasensiblen Coach bei Verena König bestärkt mich in meinen Erkenntnissen und darin, die Wichtigkeit von Selbstregulation immer wieder zu betonen. Das wirst du auch im Verlauf des Beitrags anhand von einigen Zitaten erfahren. :)


Ein Junge sitzt auf einer Bank und streckt die Arme in die Luft. Ein anderer kleinerer Junge steht davor und tut es ihm gleich.
Die Fähigkeit zur Selbstregulation gibt uns ein Gefühl der Kontrolle, stärkt unser ganzheitliches Wohlbefinden und unsere Selbstwirksamkeit. Selbstregulation kann gelernt werden.


Übersicht


Das Thema Selbstregulation ist komplex. Daher werde ich mehrere Beiträge dazu schreiben. In diesem Blogbeitrag wird es vordergründig um folgende Schwerpunkte gehen:


  • Was Selbstregulation eigentlich ist

  • Was der Unterschied zwischen Emotions- und Selbstregulation ist

  • Was all dies mit unserem Nervensystem zu tun hat

  • Welche möglichen Auswirkungen eine mangelnde Selbstregulationsfähigkeit haben kann

  • 5 Gründe, warum Selbstregulation eine Superkraft ist

  • Warum Selbstregulation gelernt sein will


In einem weiteren Beitrag werde ich näher darauf eingehen, wie Selbstregulation gelernt werden kann und wie wir Kinder und Jugendliche dabei unterstützen.


Ich denke und hoffe, es werden einige Aha-Momente für dich dabei sein :)



Was ist Selbstregulation?


Wikipedia definiert Selbstregulation folgendermassen:

Selbstregulation ist in der Psychologie ein Sammelbegriff für Fähigkeiten, mit denen Menschen ihre Aufmerksamkeit, Emotionen, Impulse und Handlungen steuern. Gemeinsamer Nenner der Modelle von Selbstregulation und Impulskontrolle in der Psychologie ist, dass Menschen in der Lage sind, eigenes Verhalten im Hinblick auf selbst gesetzte Ziele zu steuern. Dies kann sowohl bewusst als auch unbewusst geschehen.

Die Emotionsregulation, über die ich auf meinem Blog bereits mehrfach geschrieben habe, ist also nur ein Teil der Selbstregulation. Bei letzterer geht es neben der Steuerung unserer Gefühle auch um das gezielte Einflussnehmen auf unsere Aufmerksamkeit, das Regulieren von Impulsen und daraus resultierenden Handlungen.


Zusammenfassend kann man sagen, dass der Grad an Selbstregulation bestimmt, wie stark wir unser eigenes Verhalten steuern können.


Viele Nervenzellen und Nervenstränge sind zu sehen. Einige leuchten hell auf.
Das Verstehen deines Nervensystems und wie du dieses in Balance halten bzw. bringen kannst, ist eine wichtige Voraussetzung zur Selbstregulation.

Nervensystem in Balance halten


Selbstregulation ist grundsätzlich nichts anderes, als die Fähigkeit, unser Nervensystem in Balance zu halten. Denn im Alltag gerät unser Nervensystem ausgelöst durch äussere Reize oft in Disbalance. Hier spricht man auch von einem untererregten oder übererregten Zustand. Darauf gehe ich hier jedoch nicht näher ein.


Selbstregulation ist die Fähigkeit, sein Nervensystem in Balance zu halten oder zu bringen - Verena König

Wie sich diese Disbalance im Nervensystem im Alltag zeigen kann, erkläre ich weiter unten. Zur Stärkung deiner Selbstregulationsfähigkeit ist es unabdingbar, dass du verstehst, wie dein Nervensystem funktioniert und wie du dieses in Balance halten bzw. bringen kannst. Mehr dazu in einem anderen Beitrag.


Jugendliche mit Kapuze über dem Kopf hält Handy in er Hand und fasst sich mit der anderen Hand an den Kopf.
Mangelnde Selbstregulation kann sich u. A. in Verhaltensauffälligkeiten und auch Rückzug und Resignation zeigen.


Mögliche Auswirkungen von mangelnder Selbstregulation


Für mich ist die Fähigkeit zur Selbstregulation eine unterschätzte Superkraft. Bevor ich dir sage warum, schauen wir uns anhand von ein paar Beispielen an, welche möglichen Auswirkungen mangelnde Selbstregulation haben kann.


  • Starke emotionale Ausbrüche / Reaktionen: Aufgrund von mangelnden Fähigkeiten zur Selbstregulation treten oft Abwehrmechanismen wie Verdrängung und Unterdrückung auf. Dieses passiert zum Schutz unserer Psyche, wenn alles zuviel wird - meist unbewusst. Wie ich in einem anderen Beitrag anhand der Wasserball Metapher beschrieben habe, tauchen unterdrückte Emotionen und Impulse auf irgendeine Art und Weise irgendwann wieder auf. Je länger sie unterdrückt werden, umso stärker und explosiver kann sich dies zeigen. (Bsp. Wutausbrüche, starke Weinkrämpfe...)


  • Fehlende oder schwache Impulskontrolle: Bei der Definition haben wir gesehen, dass Selbstregulation beinhaltet, auch Impulse zu steuern. Wenn diese Fähigkeit schwach ausgebildet ist, fällt es einer Person schwer, innere Impulse bewusst oder unbewusst zu lenken. Das bringt in vielen Fällen impulsives Verhalten mit sich oder auch die Schwierigkeit, äusseren Verlockungen zu widerstehen. (Bsp. auch Suchtthematik)


  • Überforderung und Stress: Menschen, die regulationsschwach sind, fühlen sich in intensiven Lebensphasen schneller überfordert und gestresst als Menschen, die sich gut selbst regulieren können. Dies führt wiederum zu mehr Druck und zu einer stärkeren Disbalance im Nervensystem. Darum ist die Selbstregulation auch ein so wichtiger Faktor für Resilienz.


  • Blockaden: Die zuvor genannte Überforderung und der andauernde Stress kann zu Blockaden führen. Diesen Menschen fällt es dann oft schwer, in die Umsetzung zu kommen. Sie fühlen sich wie blockiert. Dies hindert sie daran, Veränderungen anzugehen, obwohl sie rational eigentlich wissen und auch gewillt sind, die notwendigen Schritte zu machen.


  • Psychische und körperliche Symptome: Unverarbeitete Emotionen, langanhaltender Stress, unterdrückte Wut etc. Dass sich all dies auf unsere Psyche auswirkt, weisst du wahrscheinlich schon. Die erfolgreiche (Trauma)-Therapeutin, Bestsellerautorin und Seminarleiterin Verena König meint dazu: "Mangelnde Selbstregulation steckt hinter so vielen Symptomen. Bspw. Depressive Symptomatik, Schlafstörungen, Unruhe etc. In der Fachwelt werden diese Symptome behandelt ohne dahinter die mangelnden Selbstregulationsfähigkeiten zu erkennen. Darum dreht man sich oft im Kreis."

    Neben Symptomen auf psychischer Ebene können auch körperliche Beschwerden auftreten, wenn unser Nervensystem über lange Zeit ständig in Disbalance ist. z.B. Kopf- oder Bauchschmerzen.


  • Verhaltensauffälligkeiten: "Störendes" Verhalten von Kindern und Jugendlichen hängt sehr oft damit zusammen, dass ihre Fähigkeit zur Selbstregulation noch nicht entwickelt ist und sie gar nicht wissen, wie sie sich selbst regulieren können. Zudem ist ihre Impulskontrolle aus entwicklungsbedingten Gründen des Gehirns noch schlecht ausgebildet.

    Besonders regulationsschwache und gefühlsstarke Kinder ecken an, werden zurecht gewiesen, erhalten Strafen und allzu oft die unterschwellige Botschaft, dass etwas falsch mit ihnen ist, dass sie zuviel oder zu anstrengend sind... All dies wirkt sich wiederum negativ auf ihr Selbstbild aus, was die sogenannten Verhaltensauffälligkeiten meist verstärkt. (Mehr dazu kannst du hier nachlesen)


  • Rückzug und Resignation: Was nicht vergessen werden darf, sind die Kinder und Jugendlichen, die sich aufgrund von Überforderung und gehäuften Misserfolgserlebnissen ganz zurückziehen und resignieren. Sich immer wiederholende Erfahrungen von Kontrollverlust und Ohnmacht können zu Resignation führen. Dies ist eine andere Art der Verhaltensauffälligkeit, die keinesfalls unterschätzt werden darf.


  • Missverständnisse: Dieser Punkt lehnt sich an den vorigen an. Denn - wie oben beschrieben - werden Kinder und Jugendliche, die sich nur schwer selbst regulieren können, allzu oft missverstanden und fälschlicherweise beschuldigt. Nicht selten wird ihnen besonders in der Schule vorgeworfen, dass sie absichtlich reinreden, dass sie immer so laut oder aggressiv sind, dass sie träumen oder abgelenkt sind etc. Dabei sind sie in vielen Fällen einfach mit ihren Emotionen und Impulsen überfordert. Und das gezeigte Verhalten ist in dem Moment ein Schutz oder die für sie einzige Möglichkeit, sich auszudrücken. Hier ist ein Perspektivwechsel unglaublich wertvoll :)


  • Ohnmacht, Schuld- und Schamgefühle: Viele Menschen, insbesondere hochsensible, gefühlsstarke Menschen, fühlen sich ihren Gefühlen und auch inneren Impulsen oftmals ausgeliefert. Durch die fehlende Impulskontrolle und der Mangel an Strategien zur Selbstregulation macht sich oft ein Gefühl der Ohnmacht breit. Dazu gesellen sich meist Gefühle von Scham und Schuld.



Ein Mann mit Bart kneift Augen zusammen und scheint zu schreien.
Auch wir Erwachsenen können noch einiges über Selbstregulation lernen. Denn Kinder lernen immer von uns.

5 Gründe, warum Selbstregulation eine Superkraft ist


Wie du siehst, kann die mangelnde Fähigkeit zur Selbstregulation also definitiv grosse Auswirkungen auf unser Leben haben. Hier sind nun meine wichtigsten Gründe, warum ich die bewusste Stärkung dieser Fähigkeit als unabdingbar erachte:


  1. Selbstwirksamkeit statt Ohnmacht: Du hast oben gesehen, dass der Mangel an Selbstregulationsfähigkeit bei den Betroffenen Ohnmacht auslösen kann. Sobald Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene lernen, sich selbst zu regulieren, erfahren sie sich als selbstwirksam. Sie machen mehr und mehr die Erfahrung, dass sie sich selbst steuern können. Dies gibt ihnen das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit. Dies ist enorm selbstermächtigend und heilsam. Zudem werden Überforderung, Stress, Blockaden und die Gefahr von Resignation vermindert.


    "Eine ausgewogene Fähigkeit zur Selbstregulation gibt uns die Möglichkeit selbstwirksam zu sein, auf uns selbst einzuwirken und erwünschte Zustände zu erreichen und unerwünschte Zustände zu beenden oder zu modulieren." - Verena König


  2. Weniger Verhaltensauffälligkeiten: Kinder und Jugendliche, die sich selbst nur schlecht regulieren können, werden oft als verhaltensauffällig bezeichnet. Wenn wir die Kinder und Jugendlichen dabei begleiten, ihr Nervensystem wieder in Balance zu bringen und ihnen mit Wohlwollen und Geduld, anstatt mit Schulzuweisungen und Härte zu begegnen, dann werden sich viele störende Verhaltensweisen in Luft auflösen.


  3. Verbesserte ganzheitliche Gesundheit: Durch eine bewusste Stärkung der Selbstregulation können sowohl psychische als auch körperliche Symptome vorgebeugt und vermindert werden.


  4. Erfolgreicher Lernen: Nachhaltiges Lernen geht nur mit einem regulierten Nervensystem. Ansonsten sind wir nicht wirklich aufnahmefähig, können das Gelernte nicht im Langzeitgedächtnis abspeichern oder das Gelernte nicht abrufen. Dies ist auch der Grund für Blockaden an Prüfungen. Darum rate ich an, vor Lernsequenzen und Prüfungen erst das Nervensystem in Balance zu bringen.


  5. Mehr Ruhe und Harmonie - weniger Konflikte: Würden wir unseren Kindern helfen, ihre Fähigkeit zur Selbstregulation zu entwickeln und zu stärken, hätten wir viel mehr Ruhe und Harmonie in Klassenzimmern und auch im Familienalltag. Viele Konflikte kämen gar nicht erst zustanden. Davon bin ich überzeugt. Und wenn dann auch noch wir Erwachsenen lernen, uns selbst zu regulieren, wohoo dann haben wir sicherlich mehr Frieden auf der Welt 😉


Du siehst: Selbstregulation hat einen grossen Einfluss auf unser ganzheitliches Wohlbefinden. Wenn das nicht eine Superkraft ist! Und das Beste an dem allem ist: Wir können Selbstregulation lernen.


Besser gesagt: Wir müssen sie lernen. Denn Selbstregulation entsteht nicht einfach so von alleine. Wie genau, erkläre ich im nächsten Beitrag.



 

So, ich hoffe, ich konnte dir diese Superkraft - eine empowernde Fähigkeit, die gelernt und gestärkt werden kann - etwas näherbringen.


Wenn ja, freue ich mich sehr darüber, wenn du ein Like oder einen Kommentar hinterlässt und wenn du den Beitrag teilst, um diesem essenziellen Thema noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. ❤️


Weiterführende Links:



Möchtest du mehr über das Thema Selbstregulation, Selbstbild, Resilienz oder andere Themen rund um die Stärkung von Kindern und Jugendlichen erfahren? Dann schaue doch gerne auf meiner Webseite unter Veranstaltungen vorbei. Es gibt immer wieder neue Kurse und Workshops zu diesen Themen. Oder melde dich gerne unverbindlich bei mir.




Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Commenti


bottom of page