top of page
Sabrina Ritz

Ein starkes Fundament für unsere Schulen 🧱 - Sozialemotionale Kompetenzen stärken

Aktualisiert: 18. Okt.

In unserer Beitragsreihe zum Thema 'Ein starkes Fundament für unsere Schulen' greife ich auf, was wir in den letzten Jahren in den Schulen beobachtet haben, wo wir den grössten Handlungsbedarf sehen und was unsere Antwort auf die Herausforderungen der Schule sind.


Im ersten Beitrag standen die Herausforderungen des Schulsystems im Zentrum und was unser Ansatz ist, diese aufzugreifen. Im zweiten Teil zeigte ich auf, wie die Lehrpersonen gestärkt werden und was sie selbst tun können, um mehr Ruhe im Schulalltag zu finden.


Und in diesem letzten Beitrag geht es nun darum, wie Lehrpersonen in ihrer Klasse ein Fundament der Ruhe und des liebevollen Miteinanders schaffen, indem sie die sozialemotionalen Kompetenzen der Kinder stärken.


Vier Kinder stehen und geben sich gegenseitig den Arm um und lachen.
Durch die Stärkung der sozialemotionalen Kompetenzen der Kinder kehrt im Schulalltag mehr Ruhe, Harmonie, Frieden und ein liebevolles Miteinander ein.

Der Praxisschock


Ganz viele Lehrpersonen erfahren nach ihrer Ausbildung einen 'Praxisschock'. Die Realität in den Klassenzimmern ist so ganz anders, als sie sich das vorgestellt haben. So viele unterschiedliche Anforderungen werden an sie herangetragen, so viele verschiedene Bedürfnisse und Gefühlswelten kommen auf engem Raum zusammen.


Unsere Erfahrungen zeigen, dass neben all den administrativen Aufgaben mehrheitlich die zwischenmenschlichen Herausforderungen mit den SchülerInnen sehr zehrend sind. Der Grund dafür liegt darin, dass die Stärkung der sozialemotionalen Kompetenzen der Kinder im Schulsystem vernachlässigt wird und angehende Lehrpersonen in ihrer Ausbildung zu wenig darauf vorbereitet werden.


"Ich werde nie allen gerecht!"


Vielleicht kommen dir folgende Aussagen und Situationen aus dem Schulalltag bekannt vor:

  • 'Aber der hat doch angefangen.'

  • 'Sie, warum bin immer ich Schuld?'

  • 'Ich hab doch gar nichts gemacht.'

  • 'Peter nervt, dauernd macht er blöde Sprüche.'

  • 'Sie hat mich schon wieder geschlagen.'

  • Die ersten Minuten nach der grossen Pause, in der viele Kinder ganz aufgebracht, wütend oder traurig zurück ins Schulzimmer kommen und mit ihren eigenen Emotionen überfordert sind.

  • Oder die fehlende Motivation und das Desinteresse einiger Kinder.

  • Dann gibt es da noch den Schüler, der besondere Bedürfnisse hat und die beiden Schülerinnen, die eben erst in die Schweiz gekommen sind und noch nicht Deutsch können.

  • Und da ist noch der Junge, dessen Eltern sich scheiden lassen und der so oder so gerade keinen Kopf für Schule hat.

  • Nicht zu vergessen, das Mädchen hinten in der Ecke, dass alles eigentlich schon kann und sich ständig langweilt.

Wie bitte in aller Welt soll eine Person all diesen obengenannten Gefühlen und Bedürfnissen gerecht werden?


Das musst du gar nicht! Du kannst nicht allen gerecht werden. Und das ist okay. Auch du bist nur ein Mensch. Leider haben auch wir Lehrpersonen keine Superkräfte. 😉


Was du als Lehrperson tun kannst und wofür du Verantwortung übernehmen kannst:

  • den Kindern und ihren Gefühlen Raum geben

  • sie wirklich sehen

  • ihnen Vertrauen und Wohlwollen schenken

  • Verständnis zeigen

  • sie nicht für ihr Verhalten verurteilen, sondern die Bedürfnisse dahinter erkennen (Ohne sie zwingend stillen zu müssen!)

Hilfreiche Tipps wie dir das gelingt, kannst du im vorderen Beitrag nachlesen.


Zu wenig Raum für sozialemotionale Entwicklung


Häufig geraten Lehrpersonen - und das ging mir lange auch so - in eine Art Rechtfertigungshaltung. "Ja, du musst das halt jetzt ...., weil ... ." Und dabei merken sie (manchmal) selbst, dass sie vergebens nach einem Grashalm greifen, an dem sie sich festhalten können.


Warum vergebens? Es ist kein Grashalm vorhanden, weil der Fokus in unserem Schulsystem ganz wo anders liegt. Bisher wird den sozialemotionalen Kompetenzen in den meisten Schulen noch viel zu wenig Gewicht gegeben.

Eine Lehrerin steht im Klassenzimmer, Augen geschlossen und Finger an den Schläfen. Hinten sind Kinder im Bild, die streiten.
Viele frische Lehrpersonen erleben einen Praxisschock. 'Wie soll ich all diesen Bedürfnissen gerecht werden?'

Der Lehrplan im Nacken, all die Inhalte die noch 'durchgenommen' werden sollten, bleibt oftmals keine Zeit, sich mit den Gefühlswelten der Kinder, ihren Ängsten, Gedanken, Wünschen und Anliegen auseinanderzusetzen. Konflikte werden oftmals zwischen Tür und Angel geklärt. Es bleibt fast kein Raum übrig, bewusst auf die sozialemotionale Entwicklung der Kinder einzugehen.





Fehlt dieser Raum und eine gemeinsame Vertrauensbasis, ist es schwierig und anstrengend, den Kindern immer wieder von Neuem zu erklären, warum sie dies oder das (nicht) machen sollen. Irgendwie hast du als Lehrperson nichts Handfestes in der Hand, und versuchst dich daher zu rechtfertigen oder irgendwas aus der Luft zu greifen. Dies wirkt dementsprechend auch nicht. Es ist nicht authentisch und das spüren die Kinder und nehmen dich nicht ernst.


Bisher wird den sozialemotionalen Kompetenzen in vielen Schulen noch zu wenig Gewicht gegeben.

So, und nun gehts ans Eingemachte. Wie schaffst du diesen Raum und so eine Vertrauensbasis?


Achtsames Fundament aufbauen: Sozialemotionale Kompetenzen stärken


Wenn wir mit Kindern arbeiten - und auch in unseren Eltern- und Lehrerkursen - stehen jeweils fünf Themenbereiche im Fokus:

  • Bewusstsein und Wahrnehmung

  • Mindset

  • Kommunikation

  • Heartset

  • Integration

Ein Modell mit dem Fundament 'Bewusstsein und Wahrnehmung', 3 Säulen mit der Aufschrift 'Mindset' ' Kommunikation' und 'Heartset', einem Balken oben drauf mit ' Integration und dem Dach 'Innere Stärke'

In unserem Butterfly Modell haben wir die fünf Bereiche visuell dargestellt (s. Abbildung). Basierend auf diesem Modell stärken wir die Kinder in ihren sozialemotionalen Kompetenzen, in ihrer Resilienz und Potenzialentfaltung.


Im Folgenden erläutere ich jeden Bereich einzeln und nenne Beispiele, wie wir diese Themen im Unterricht einfliessen lassen.


Es geht darum, mit der Klasse ein starkes Fundament zu bilden, mit Routinen, einem gemeinsamem Wortschatz und hilfreichen Übungen zur Selbstregulation, auf die die Lehrperson und die Kinder immer wieder zurückgreifen können.



Bewusstsein & Wahrnehmung


Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Kinder sich selbst nicht spüren, keinen Kontakt zu sich, ihrem Körper und ihrer Gefühlswelt haben. Dementsprechend ist es auch schwer, sich selbst regulieren zu können. Aus diesem Grund stärken wir mit gezielten Übungen die Wahrnehmung und das Bewusstsein der Kinder.


Das tun wir mit:

  • Atemübungen

  • Meditation

  • Übungen zur Körperwahrnehmung

  • Verbindung zur Natur

  • Reflexionsfragen

  • bewusste Ruhephasen und -Pausen

  • meditative Musik

  • aktiv Selbstfürsorge vorleben

  • Fokus: Wo ist meine Aufmerksamkeit?

  • Bedürfnisse erkennen: Was brauchst du?

  • Was kann ich kontrollieren und was nicht?

Ziel ist es, dass die Kinder die Verbindung zu sich selbst stärken bzw. nicht verlieren und sich mehr und mehr über ihre eigene Gefühlswelt und ihre Bedürfnisse bewusst werden. Im nächsten Schritt lernen sie, wie sie diese Gefühle regulieren und ihre Bedürfnisse stillen können.


Mindset


Das Wort 'Mindset' wird mittlerweile so oft benutzt, dass Menschen ganz unterschiedliche Assoziationen damit haben. Und trotzdem haben wir uns für diesen Begriff entschieden, weil er einfach Vieles zusammenfasst.


Bei uns geht es beim Thema Mindset um:

  • das eigene Selbstbild

  • das Weltbild

  • die innere Haltung / Einstellung

  • Selbstvertrauen

  • Growth und Fixed Mindset

  • Glaubenssätze

  • Die Kraft der Gedanken für sich nutzen

  • Fokus auf das Positive richten

  • Dankbarkeit

  • Lernprozesse verstehen: Was passiert eigentlich beim Lernen? Und welchen Einfluss haben unsere Emotionen auf das Lernen?

Der Hauptfokus liegt darin, das Selbstvertrauen der Kinder zu stärken, indem sie ein positives Selbstbild entwickeln und an sich selbst und ihre Fähigkeiten glauben.


Kommunikation


Im Zentrum dieses Themenbereichs steht die Achtsame Kommunikation, basierend auf der 'Gewaltfreien Kommunikation' nach Marshall Rosenberg.


Das Handlungskonzept der gewaltfreien Kommunikation von Marshall B. Rosenberg, häufig abgekürzt mit GFK, ist frei von Schuldzuweisungen, Manipulation, Beleidigungen und Beurteilungen. Mit einfachen Techniken hilft sie dabei, Streit zu vermeiden, Konflikte zu lösen, Verständnis zu schaffen und Beziehungen zu vertiefen. Mehr zur GFK findest du hier.


Wir haben den 4 Schritten nach Rosenberg noch einen weiteren Schritt hinzugefügt:

  1. Beobachtung

  2. Gefühl

  3. Bedürfnis

  4. Bitte

  5. Frieden / Akzeptanz

Gemeinsam mit den Kindern schauen wir uns an, wie sie diese 5 Schritte im Alltag anwenden können. Insbesondere in Situationen mit Konfliktpotenzial sind diese 5 Schritte sehr hilfreich. Die Kinder werden dabei angeleitet (auch mit Karten als visueller Unterstützung), einen Konflikt mit diesen 5 Schritten zu beschreiben. Bsp. einen Pausenkonflikt


Auch hier gehen wir als Lehrpersonen als Vorbild voran und leben diese 5 Schritte vor. Es ist anfangs etwas schwierig und kann etwas roboterhaft wirken. Aber du wirst merken, es hat eine unglaubliche Wirkung! 😉


Was passiert? Durch die fehlenden Schuldzuweisungen und Wertungen fühlt sich das Gegenüber nicht angegriffen, das Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse des anderen wird gestärkt und Konflikte können achtsam gelöst werden.

Sechs verschiedene Emojibälle liegen auf dem Rasen mit jeweils einer anderen Emotion abgebildet.
Kinder müssen bestenfalls täglich die Gelegenheit haben, ihre Gefühle bewusst wahrzunehmen und zu benennen, damit sie sich selbst besser verstehen und regulieren lernen können.

Heartset


Beim Heartset steht, wie es der Name schon sagt, unser Herz im Zentrum. Es geht darum, die emotionale Intelligenz (EQ) zu fördern, was leider im Schulalltag oft zu kurz kommt. Dabei fokussieren wir uns auf drei Schwerpunkte:


1. Gefühlswelt


Hier ist ganz wichtig, den Gefühlen der Kinder und auch deinen eigenen im Alltag bewusst Raum zu geben. Einerseits geschieht dies mithilfe von Routinen und Ritualen, sogenannte 'Check-Ins', bei denen die Kinder die Möglichkeit erhalten, zu äussern, wie sie sich fühlen.


Wir leiten sie an, ihre Gefühle im Körper bewusst wahrzunehmen und sie zu benennen. In einem weiteren Schritt geben wir ihnen Bewältigungsstrategien und Tools an die Hand und begleiten sie dabei, ihre Gefühle selbst zu regulieren.


Zudem ist ganz wichtig, auch im Verlauf des Schulalltags, z.B. bei Konflikten, Lernfrust, Motivationsproblemen etc. den Gefühlen Raum zu geben.


2. Empathie


Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Stärkung der Empathiefähigkeit. Hier geht es stark darum, dass die Kinder reflektieren, was ihr Verhalten bei anderen bewirkt. Fragen wie 'Was macht das mit der anderen Person, wenn ich...? Wie würdest du dich fühlen, wenn ...? Was denkst, warum hat die Person das gesagt / gemacht?'


Durch solche Reflexionsfragen und das Vorleben von Empathie wird das Verständnis füreinander gefördert, was zu mehr Harmonie und Miteinander führt.


3. Herzintelligenz


In unserer Gesellschaft lernen wir, stark auf unseren Kopf zu hören. Entscheidungen müssen rational begründet werden können. Leider führt uns dies immer mehr weg von uns. Daher liegt es uns am Herzen, Kinder dabei zu unterstützen, die Verbindung zu ihrem Herzen zu behalten, ihre Intuition und ihre Herzintelligenz zu stärken.


Wie geht das in der Schule? Wir sprechen über eigene Wünsche, Träume, Vorlieben. 'Was macht dich glücklich?' Die Kinder erhalten die Möglichkeit, ihre Gedanken und Gefühle mitzuteilen und auch ihre Meinungen zu äussern.

Ein Mädchen sitzt auf einer Treppenstufe, den Kopf auf die Arme gestützt. Und drei Jungs stehen hinten. Einer zeigt mit dem Finger auf das Mädchen und lacht.
Wenn Kinder lernen, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen und zu regulieren und sich selbst und andere besser zu verstehen, nehmen Mobbingfälle und verletzende Umgangsformen automatisch ab.

Integration


All diese obengenannten Inputs nutzen nichts, wenn sie nicht regelmässig in den Schulalltag miteinfliessen. Wir sind keine Fans von 'Lasst uns ein Fach Achtsamkeit oder Glück o.Ä. machen'. Wir sind der Meinung, dass diese Themen unabhängig von Fächern im Schulalltag integriert werden müssen: Durch das Vorleben der Lehrperson, Routinen, Rituale und gezielte Inputs zu einzelnen Themen (Bspw. im Fach RKE).


Es nützt nichts, während einer Woche mit den Kindern Gefühle zu thematisieren, wenn sie nachher nicht die Gelegenheit erhalten, sich immer wieder bewusst mit ihrer Gefühlswelt zu verbinden und sie wahrnehmen und benennen zu lernen. Das braucht nämlich - wie so Vieles - Übung.


Immer wieder darauf zurückgreifen


Wenn eine Lehrperson mit ihrer Klasse zu Beginn und im Verlauf des Schuljahres mehr und mehr in diese Themen der Achtsamkeit eintaucht, kann sie sich immer wieder darauf beziehen. Damit hat sie einen ziemlich dicken Grashalm, an dem sie sich festhalten kann. 😉


Hier ein paar Beispiele, wie sie bei Konflikten oder herausfordernden Situationen die Themen des gemeinsamen Fundaments aufnehmen kann:

  • "Kannst du grad kontrollieren, was dein Nachbar sagt / macht? Was kannst du kontrollieren?"

  • "Was macht das grad mit dir? Wie fühlst du dich?"

  • "Was brauchst du jetzt grad, damit du dich abregen kannst?"

  • "Weisst du noch, als wir über ... gesprochen haben? Was kannst du tun, um ...?

  • "Was denkst du grad? Hilft dir das? Lässt dich das gut fühlen? Welcher Gedanke würde dir jetzt helfen?"

  • "Was ist in der Pause passiert? Kannst du die Situation in den 5 Schritten erklären, wie wir das gelernt haben?" (mit Karten als Unterstützung)

Es kann sehr hilfreich sein, mit der Klasse ein gemeinsames starkes Fundament zu bilden, mit Routinen und einem gemeinsamem Wortschatz und Tools zur Regulation, auf die du immer wieder zurückgreifen kannst.


Wenn du gerne tiefer in diese Themen eintauchen willst, melde dich gerne bei uns.


Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page