Voneinander abweichende Interessen und Bedürfnisse zu haben ist natürlich, speziell auch wo unterschiedliche Alters- und Generationsstufen zusammenkommen. Ob privat oder beruflich, die Fähigkeit Konflikte konstruktiv lösen zu können, gehört zu einem gesunden Miteinander, vor allem auch im Familien- und Bildungsalltag.
Kindern wird meistens bereits früh von Eltern und Pädagogen erklärt, wie Streit geführt und gelöst werden kann, so dass alle Parteien am Ende unverletzt aus der Situation treten können. Auch ohne eine solche bewusste Einführung in die Thematik lernen Kinder natürlich auch durch Beobachtung der Eltern, wie Streit und Konfliktlösungen ablaufen können.
Die Fähigkeit, Konflikte zu lösen, kann folglich somit ebenso wie Frustrationstoleranz methodisch geschult and gefördert werden. Eine solche bewusste Schulung hilft sowohl im gemeinsamen Familienalltag, als auch den Kindern selbst, zu Erwachsenen mit gesundem Konfliktmanagement heranzuwachsen.
In der Harvard Methode steht das Erzielen einer Win-Win Situation im Vordergrund.
Heute stelle ich Dir die angesehene Konfliktlösungsmethode nach Harvard¹* vor und wie sie sich auf den Erziehungsalltag anwenden lassen kann. Prinzipiell handelt es sich bei der Methode nach Harvard um eine sachbezogene Verhandlungsmethode (üblicherweise im Berufsalltag), welche auf Roger Fisher, einen amerikanischen Professor und Rechtswissenschaftler der Harvard Law School, zurückgeht². Im untenstehende Video wird das Harvard Konzept erklärt.
Sie ist also in erster Linie keine rein pädagogische Methode, kann jedoch aufgrund ihrer allgemein gültigen Ansätze durchaus als solche adaptiert werden, um auch im Erziehungsalltag einen Konflikt oder unterschiedliche Standpunkte gewinnbringend und positiv für beide Parteien zu lösen.
Im Familien- und Bildungsalltag treten solche Unstimmigkeiten natürlich in unterschiedlichen Ausmassen aus; eine rationale Methode kann hier helfen, diese produktiv und nicht rein impulsiv, unterstützt durch eine gewaltfreie Kommunikation, auszutragen
Die 4 Prinzipien der Konfliktlösung nach Harvard im Erziehungsalltag
1 - Trenne das Objekt der Verhandlung von der Beziehung zum Kind
Stelle sicher, dass es bei der Diskussion um die Lösung des Konfliktes um die effektive Sache geht und nicht um die Beziehung zum Kind. Dies ist der erste und wichtigste Schritt, um aus einer rein emotionalen und impulsiven Diskussionsebene heraustreten zu können. Konkret bedeutet dies, dass du dein Kind als gleichberechtigte Partei in dem Konflikt wahrnimmst.
Dies mag vielleicht im ersten Moment nicht dem traditionellen Modell entsprechen, diese Abstraktion hilft aber, das Gespräch sowie auch die anschliessende Lösungsfindung konstruktiv zu lenken. Den Konflikt als solchen objektiv zu betrachten bildet nämlich die Basis um im nächsten Schritt auf die Bedürfnisse, Wünsche und Interessen des Kindes eingehen zu können und auch eure Bedürfnisse als Eltern klar und gewaltfrei zu äussern.
2 - Fokussiert euch auf die Interessen, die es zu vermitteln gilt und nicht auf die unterschiedlichen Standpunkte
Um einen Konflikt für alle Parteien erfolgreich zu lösen gilt es in erster Linie, die Interessen in Einklang zu bringen und nicht um die individuellen Standpunkte der Beteiligten. Es ist also essentiell, dass diese Interessen und Wünsche während des Konfliktmanagements offen und ehrlich geteilt werden dürfen. Eine gewaltfreie und vorurteilsfreie Kommunikation ist hier unabdingbar. Viel zu oft wird im Familienalltag (speziell bei jüngeren Kindern) nämlich nicht nach dem Grund eines Wunsches gefragt.
Das grösste Potential der Harvard Methode liegt darin, dass der Fokus weg von den unterschiedlichen Positionen und hin zum gemeinsamen Interesse gelegt wird.
Wollen beispielsweise beide Kinder eine spezifische Spielpuppe und beginnen darum einen Streit, findet zuerst heraus, warum jedes Kind die Spielpuppe möchte. Vielleicht möchte das eine Kind eine Situation nachspielen, währendem das andere Kind die Puppe einem Freund oder einer Freundin zeigen möchte.
Die Interessen sind hier also vereinbar, das heisst beide Bedürfnisse können trotz der unterschiedlichen Standpunkte in einer WinWin Situation zusammengebracht werden. In diesem Beispiel könnte also das eine Kind die Puppe zuerst dem Freund oder der Freundin zeigen, damit das andere Kind danach mit der Puppe spielen kann.
3 - Findet mögliche Win-Win Situationen
Sobald geklärt wurde, worum es beim Konflikt geht (Punkt 1) und was die Wünsche und Interessen der Beteiligten sind (Punkt 2), geht es darum, eine Win-Win Situation herzustellen, bei welchem die Bedürfnisse beider Parteien geehrt und erfüllt werden können.
Im Familienalltag und bei grösseren Konflikten können solche möglichen Lösungsoptionen auch gut gemeinsam im “Familienrat” erarbeitet werden. Eine gemeinschaftliche Lösungsfindung stärkt ebenfalls den Zusammenhalt innerhalb der Familie und vermittelt dem Kind, dass Konflikte keine emotional gefährdende Situation darstellen müssen, solange die Wünsche und Bedürfnisse beider Parteien zur Lösungsfindung respektiert und miteinbezogen werden.
Eine kreative gemeinsame Lösungsfindung hilft dem Kind ebenfalls zu üben, im Streitfall die Perspektive der anderen Partei einzunehmen. Dies schult zusätzlich Einfühlungsvermögen und Frustrationstoleranz.
Normalerweise bringen Kinder und Jugendliche ihre Bedürfnisse und Wünsche deutlich zum Ausdruck. Hier ist es also besonders wichtig, dass ihr diese als Eltern genauso ernst nehmt, wie die eines Erwachsenen, damit beide Parteien sich auf Augenhöhe begegnen und eine beidseitig befriedigende Lösung finden können. Beispielsweise kann die Mithilfe im Haushalt so gestaltet werden, dass die Tochter oder der Sohn trotzdem ihre Freunde am freien Nachmittag sehen können oder ihr einigt euch darauf, dass Sohn und Tochter sich in ihren häuslichen Pflichten abwechseln etc.
4 - Entscheidet letztlich gemeinsam, was die Lösung im vorliegenden Konflikt sein soll und (ganz wichtig!) haltet euch daran
Nach der (gemeinsamen) Erkundung verschiedener Lösungsvarianten gilt es, euch gemeinsam auf eine Lösung zu einigen. An diesem Punkt ist es wichtig, nochmals Feedback einzuholen um sicherzustellen, dass alle Parteien mit der Lösung einverstanden und emotional zufrieden sind.
Nachdem ihr euch auf eine Lösung geeinigt habt, ist es wichtig, diese konsequent einzuhalten. Wo sinnvoll können ebenfalls messbare Kriterien hinzugezogen werden, wie beispielsweise eine Zeitdauer (wie lange das Kind mit der Puppe spielen darf, oder ähnliches), um einen gemeinsamen Referenzrahmen zu schaffen.
Auf jeden Fall solltet ihr als Erwachsene mit gutem Beispiel vorangehen, um euer Kind zu motivieren. Die konsequente Durchführung und Einhaltung der gemeinsam gewählten Lösung ist besonders wichtig, um diese Form der Streitschlichtung für beide Parteien als verlässlich und vertrauenswürdig zu etablieren.
Hilfreiche Tipps für eine erfolgreiche Konfliktlösung
Diese vier Schritte nach Harvard können sowohl in kleineren als auch in grösseren Konfliktsituationen eingesetzt werden um eine gesunde gemeinsame Basis für eine Lösung zu schaffen. Natürlich ist es wichtig, während des Gespräches selbst einige Punkte einzuhalten, damit eine sachliche und emotional befriedigende Lösungsfindung effektiv erzielt werden kann.
Dies gilt es in der Gesprächsführung zu beachten:
Gewaltfreie und vorurteilsfreie Kommunikation schafft eine sichere Basis zur Darlegung der Wünsche und Interessen beider Parteien
Aktives Zuhören schafft eine gemeinsame Basis des Respekts
Nachfragen und Paraphrasieren (z.B wiederholen was dein Kind gesagt hat) helfen sicherzustellen, dass man die Wünsche und Bedürfnisse des Gegenübers richtig versteht
Eine Zusammenfassung und Einigung der Lösung in Schritt 4 stellt sicher, dass auch wirklich eine emotional und sachlich zufriedenstellende Win-Win Situation gefunden werden kann
Dies sollte in der Gesprächsführung vermieden werden, um sachlich zu bleiben:
Unnötiges Erheben der Stimme
Drohungen oder Warnungen
Monetäre “Bestechungen”
Befehlston
Zeitdruck erstellen
Rhetorische oder emotionale Manipulation
Weitere Tipps zur Eltern-Kind-Kommunikation findest du in diesem Beitrag.
Abschliessend ist es wichtig zu erwähnen, dass die besten Resultate erzielt werden, wenn auch die Eltern untereinander eine gesunde Streitkultur pflegen. Schliesslich überträgt sich diese am schnellsten auf das Kind und sein/ihr Verständnis von Streit und Konflikt. Diese Prinzipien nach Harvard sind somit allgemein anwendbar und unterstützen in ihrer Einfachheit sowohl Eltern untereinander als auch die gesamte Familie in einem gesunden Konfliktmanagement.
LITERATUR:
¹ Roger Fisher, William Ury, Bruce M. Patton (Hrsg.): Das Harvard-Konzept. Der 1 Klassiker der Verhandlungstechnik. Campus-Verlag, Frankfurt am Main / New York 1984; 24. Auflage ebenda 2013.*
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